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Wenn alle ADHS haben, will ich es nicht.

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Mein 80er Jahre Fetisch: anders sein als andere. Bloß nicht dem „Mainstream“ zum Opfer fallen. Ein klassischer Gen-X-Impuls, wie ich vor kurzem erfahren habe (nicht, dass ich den Impuls nicht schon lange kenne, aber ich habe mich früher keiner Generation zugehörig gefühlt, weil „anders sein als andere“ auch Leute meiner Generation umfasst).

Also, ADHS. Ich weiß ja, dass es viele Formen gibt, sowohl innerhalb eines Spektrums von kaum bemerkbar über etwas crazy zu extrem, als auch in der Außenwahrnehmung (von der Innenansicht mal zu schweigen) von gut maskiert und leicht nervig über erleichtert oder weinerlich spätdiagnostiziert bis hin zu superkrass.

Ich weiß, dass ich mich nicht superkrass auffällig verhalte, auch wenn ich genetisch gesehen wahrscheinlich zu einer superkrassen „Verhaltensauffälligkeit“ bei jemand anderem beigetragen habe. Ich weiß auch, dass Menschen mit sinkendem Östrogenspiegel und gesteigerter ADHS-Problematik gerade voll im Trend liegen.

Traditionell unterdiagnostiziert entwickeln jetzt viele Frauen (und wer sich noch angesprochen fühlt) den Verdacht, dass die Probleme ihres bisherigen Lebens und die Probleme ihrer Nachkommenschaft möglicherweise auch etwas mit ihrem „gestörten Dopaminhaushalt“ zu tun haben könnten. Vor vielen Jahren erlernte Strategien ziehen womöglich nicht mehr, wenn der Östrogenspiegel sinkt, weil dieser sich wiederum auch auf den Dopaminhaushalt auswirkt. Da die (Peri-)Menopause an sich schon so ein geiles Erlebnis in vielerlei Hinsicht ist, ist zusätzlicher Brainfog für Menschen, die möglicherweise schon immer undiagnostizierte Entwicklungsstörungen im präfrontalen Kortex hatten, nur das Sahnehäubchen auf der Torte.

Denn Östrogen, so höre ich immer häufiger, scheint wohl fast alle körperlichen und psychischen Prozesse zu beeinflussen, und hey, was ist wohl sexier als ADHS UND Menopause? Ich mag es mir nicht ausmalen.

Jedenfalls: Alle haben ADHS heißt natürlich nur fast alle, Spektrumsstörung  und so, es gibt auch die ganz Ruhigen, Entspannten, die ihre innere Unruhe nicht maskieren, ihre Impulse gut kontrollieren, einen Gedanken nach dem anderen schön fertig denken und sich für sehr lange Zeiträume konzentrieren können, auch auf Sachen, die sie laut eigenen Angaben eher langweilig finden.

Aber davon gibt es in meinem Freundeskreis nicht viele und wenn, dann höre ich sie nicht durch das ständige Gebrabbel und andere Unterbrechen durch mich und meine Freundinnen und Freunde, die ähnlich ticken wie ich. Gleich und gleich, ihr wisst schon. Da gehen die ADHS-losen in größeren Gruppen schon gerne mal unter.

In größeren Gruppen treibe ich mich tatsächlich viel herum. Und das, obwohl ich Gruppen ja eigentlich ablehne und mich immer eher so als „Sigma-Boy“ gesehen habe. Ambiguitätstoleranz nennt man das in meinem Alter.

Inzwischen ist es also ok für mich, zu bestimmten Gruppen zu gehören. So lange diese Gruppen nicht mit trendigen Themen in Verbindung gebracht werden.

Trendige Themen wie ADHS und Menopause zum Beispiel. Themen, die man sich dummerweise nicht aussuchen kann.

Insofern: Alle haben ADHS, nur ich nicht. Ich habe was anderes. Und bald habe ich auch einen Namen dafür.

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